Von Wanderern, Wetter-Apps und Wildpferden
Die Wirtschaft wird digital, die Industrie 4.0 ist auf dem Vormarsch und wer überleben will, das wusste schon Darwin, muss sich anpassen – so auch unser HHC „Barbarossa“. Bei der ersten gemeinsamen Wanderung 2006 klingelte noch der klassische Wecker. Heute im Jahr 2018 bei der Wanderung 13.0 tönen individuell heruntergeladene „Ringtones“ aus den Smartphones – beim einen früher, beim anderen später. Immerhin im Gegensatz zum Vorjahr bei keinem zu spät. Wer letztes Jahr verschlafen hatte, schlief dieses Jahr bei der Anfahrt auf der Rückbank und verpasste damit leider die Mitteilung der Live-Standorte der einzelnen Fahrzeuge in der HHC-Whatsapp-Gruppe. Die Überholer blitzten mit der Handykamera noch die Vereinskollegen und waren schließlich als erste zur Kaffeepause am Parkplatz Winterberg an der A96 bei Leutkirch.
Aufgrund des einsetztenden Regens entbrannten die ersten Diskussionen über die richtige Wahl der Hosenlänge. Während die Optimisten und diejenigen ohne Wetterapp ausschließlich kurze Hosen trugen, setzten andere nach Befragung diverser Wettervorhersagen auf warme, wasserdichte Regenkleidung. Die eigenen Energiereserven wurden derweil mit Brezeln aufgefüllt, wobei mancher sich schon um die Lademöglichkeiten des Handyakkus auf der Hütte sorgte. Wanderführer Wolfe, dem digitalen Wandel nicht so zugeneigt, packte inwischen die gute alte Papierkarte aus. So fanden nach erforlgreichem Vignettenkauf schließlich alle am richtigen Parkplatz in Vandans im Montafon zusammen.
Dort ging es mit der Golmerbahn von 700 m zur Bergstation auf 1892 m Höhe. Vorbei an zahlreichen frischen Kuhfladen – und teilweise auch hindurch – marschierte die 18köpfige Truppe los in Richtung Golmer Höhenweg. Dieser führte über insgesamt vier Gipfel: Der erste war das Golmer Joch mit 2124 m. Danach ging es Schritt für Schritt weiter hinauf, bis schließlich auf dem Latschätzkopf (2219 m) pausiert wurde. Neben ein paar Selfies gab es leckeres Vesper und Meinunsgverschiedenheiten darüber, ob eine rohe Zucchini zum Verzehr geeignet ist. Die Mehrheit setzte sicherheitshalber auf Bergkäse und Duplo. Die Rucksäcke wieder geschultert machten wir uns auf den Weg zum Kreuzjoch auf 2263 m. Der Reiz des Golmer Höhenwegs ist wetterabhängig. „Der beste Tag ist gerade gut genug dafür“, soll mal einer geschrieben haben mit Verweis auf das dann majestätische Panorama: Dri Türm, Drusenfluh und Sulzfluh, Zimba sowie der Berg unserer Erstbesteigung im Jahr 2006 - die Schesaplana. Diesen besten Tag hatten wir leider nicht erwischt. Ohne Gemecker und Gezicke stiegen wir weiter zur Geißspitze (2336 m) auf. Trotz Wolken war von dort oben unser Übernachtungsziel, die Lindauer Hütte, schon sichtbar. Laut unseren Wetterexperten sollte der Abstieg dorthin feuchtfröhlich werden. Tatsächlich fing es wie vorhergesagt Punkt 15.30 Uhr an zu regnen. Matschigen Fußes erreichten wir am späten Nachmittag die Hütte (1744 m). Die Schuhe schnell von Kuhfladen und Matsch gereinigt, bezogen wir unsere zwei Matratzenlager: das Küchenlager und das Damenzimmer, in das sich auch Herren einfanden. Im Gegenzug nutzten einige Damen die Herrendusche. Für Warmduscher bestand die Möglichkeit, 2 Euro gegen 2 Minuten warmes Wasser zu tauschen – leider keine Flatrate.
Den restlichen Teil des Tages ließen wir mit gemütlichem Beisammensein, Essen und Trinken ausklingeln. „Drei kräftige Barbarossa“ schallten als Trinkspruch zum Haselnuss- und Marillenschnäpsle durch den Speisesaal. Die Nacht war verregnet und die Regenwolken wollten sich auch von lauten Schnarchern nicht vertreiben lassen.
So beschlossen wir am nächsten Morgen nach einem ausgiebigen Hüttenfrühstück direkt zur Bergstation abzusteigen. Während wir unsere Rucksäcke packten, schob die Yogatruppe von nebenan ihre pinken Koffertrollis vors Lager. Der Weg damit ins Tal ist uns nicht bekannt. Wir jedenfalls teilten uns in zwei Kleingruppen und wanderten auf verschiedenen Wegen durch das Gauertal. Die einen verpassten ohne Handy-Navi prompt die richtige Abzweigung und wurden „angepfiffen“ - ein auf dem Felsen postierter Jäger machte auf sich aufmerksam. Die andere Gruppe kreuzte eine Viehweide und während ein süßes Pony sich ganz lieb streicheln ließ, entschied dessen größerer Artgenosse, dass das Leben auch für Wanderer nunmal kein Ponyhof ist. Die masssige schwarze Stute namens Annemarie drehte völlig durch, war auch von ihrem Besitzer nicht mehr zu halten und hätte im Galopp um Rosshaaresbreite beinahe die Wandergruppe dezimiert. Mit dem größten Glück der Erde kamen alle wohlbehalten am Treffpunkt bei der Sommerrodelbahn an.
Ein Teil der Gruppe sparte sich den Abstieg und schonte die Knie, aber nicht die Bremsen im Rodelbob auf der 2,6 km langen Bahn. Unten angekommen fand man sich im nächsten Biergarten zusammen und bestellte sehr zum Leidwesen der Bedienung kurz vor Küchenschluss noch einige Mahlzeiten und Getränke.
Satt und zufrieden steuerten wir den Parkplatz an, luden Rucksäcke, Wanderstöcke sowie auf der Alpe am Wegesrand erstandenen Eierlikör und „sura Kees“ in den Kofferraum und traten die Heimfahrt an. Wer „sura Kees“nicht kennt, sei an dieser Stelle eingeladen, sein Smartphone zu zücken und Google zu befragen oder noch besser: den Rucksack zu packen, Richtung Alpe zu starten und dort „live“ zu probieren. Tipps geben wir gerne weiter, aber unseren bewährten Wanderführer nicht – vielen Dank an Wolfe, der sicher gerade schon wieder ein Buch in den Händen hält und ganz souverän analog die nächste Route plant.
Das Presseteam des HHC